"Obwohl die sowjetische und die amerikanische Raumfahrt
einander ergänzen, besteht ein gewisser Wettbewerb.
Wenn aber alles diesem Wettbewerb untergeordnet ist,
kann man die Wissenschaft vergessen."

Prof. M. Keldysch, Vorsitzender der Akademie der Wissenschaften, 1968


Nach dem Regierungswechsel ist auch Chruschtschows Plan der gigantischen militärischen Raumstation OS-1 gestrichen worden.
Das Konstruktionsbüro OKB-1 hat den Kopf nun endlich frei für die Konzepte, die es ohnehin im Geheimen verfolgt hat.
Um Weihnachten 1964 lässt es die Katze aus dem Sack, Sergej Koroljow präsentiert ein eigenes Mondlandeprogramm.
Als Basis dient die - noch in der Planungsphase befindliche - neue Trägerrakete N1, deren maximale Nutzlast nun auf 92 Tonnen erhöht worden ist.

Die beiden anderen Teile des Puzzles sind ein modifiziertes SOJUS-Raumschiff "SOJUS-LOK " und eine Mondlandefähre "LK".
Sie bilden zusammen mit einer Triebwerksstufe den
L3-Komplex.
[Das L steht wiederum für das russische "lunniyi" = lunar, den Mond betreffend.]

Abb. 15-1  N1-L3-Komplex

Abb. 15-1

N1-L3-Komplex
im Schnitt


Erst nach der Perestroika wird durch Wassili Mischin>[Koroljows damaliger Untergebener und dessen späterer Nachfolger] bekannt, dass die Sowjets dieselbe LOR-Technik wie die Amerikaner im APOLLO-Programm benutzen wollen:

L unar O rbit R endezvous = Kopplungsmanöver im Mondorbit

Ein schweres SOJUS-LOK-Mutterschiff, vollgetankt, mit Fallschirmen und Hitzeschild für die Rückkehr zur Erde ausgestattet, wird zusammen mit dem Mondlandefahrzeug LK in eine Mondumlaufbahn transportiert.
Dort bleibt SOJUS-LOK auf seiner Bahn um den Mond, während die kleinere Mondfähre LK mit einem Kosmonauten zum Mond absteigt und auf der Trabantenoberfläche landet.
Nach Ablauf der vorgesehenen Experimente kehrt der Kosmonaut mit LK zum Mutterschiff zurück, die Mondfähre wird abgestoßen und das Raumschiff kehrt zur Erde zurück.


Der genaue (theoretische) Ablauf einer N1-L3-Mondmission ist in Kapitel 16 beschrieben.

Doch es gibt auch Bezweifler des Konzeptes im eigenen Lager. OKB-1-Ingenieure kritisieren, dass das Gewicht eines L3-Schiffes gefährlich nahe an der Kapazitätsgrenze eines N1-Trägers liegen würde. Mindestens 26 Triebwerke müssen allein auf der ersten Stufe befestigt werden und beim Start synchron arbeiten... das erfordert eine sehr sehr hohe Zuverlässigkeit und eine Vielzahl von Testphasen.
Der Chefkonstrukteur weist die Bedenken von sich und ordnet den Bau eines Teststands für die N1 an.


Eine Entscheidung, die später auf die Sowjets zurückfallen wird. Denn Sergej Koroljows Gesundheit ist bereits angeschlagen. Er hört schlechter, das Herz arbeitet unregelmäßig; Folgen des Aufenthaltes im sibirischen Arbeitslager... und nun Ursache dafür, dass er sich zunehmend von seinen früheren Freunden und Verbündeten isolieren wird

Wir haben oben von dem amerikanischen APOLLO-Mondprogramm gesprochen; gehen wir nun etwas genauer darauf ein.
Der Name (nach dem griechischen Gott des Lichtes, dem Schutzherrn der Schiffahrt, Apollon) wird 1960 von Abe Silverstein vorgeschlagen, einem hohen Angestellten, der in der NASA u.a. in einem Ausschuss über die SATURN V-Pläne zu befinden hat.
Mit Präsident Kennedys Versprechen, bis zum Ende des Jahrzehnts einen Amerikaner auf den Mond zu entsenden, ist in den USA ein Programm angelaufen, dessen Etat im Laufe der nächsten Jahre alle Rekorde sprengen wird.
Die NASA erhält anfänglich 1 Milliarde Dollar, in späteren Jahren bis zu 5 Milliarden Dollar jährlich als Budget für APOLLO bewilligt.
Man schätzt heute, dass damals über 20.000 Forschungsinstitute, Betriebe, Firmen und Universitäten mit über 400.000 Beschäftigten an dem gigantischen Vorhaben beteiligt gewesen sind.
Das Kennedy Raumfahrtzentrum entsteht auf Kap Kennedy, mit neuen Abschussrampen und einer riesigen Montagehalle für die SATURN-V-Rakete, letztere fast so hoch wie der Kölner Dom.
Auch die Prüfstände im Raketenzentrum Huntsville/Alabama, dort wo Wernher v.Braun mit sienem Team arbeitet, werden erweitert.
73 km² bedeckt das ganze Gelände inzwischen, so viel wie die westfälische Stadt Münster. 7500 Mitarbeiter hat v. Braun in der heißen Phase zwischen 1965-67.

Überall im ganzen Land arbeiten die Menschen an den Vorbereitungen für den ersten Flug zum Mond.



APOLLO

CSM

APOLLO - Emblem des Gesamtprogramms


Das Raumschiff selbst, allgemein als APOLLO-Kapsel bezeichnet, heißt exakt "COMMAND & SERVICE MODULE" (kurz: CSM).
Anfänglich ist es nur für ein Mondorbitprogramm ausgelegt, im Juli 1961 erweitert man das Konzept für Mondlandungen.
Drei Missionskonzepte stehen v. Braun zur Auswahl:

  • Der direkte Flug
    Ein Raumschiff landet weich auf dem Mond; es führt genügend Treibstoff mit sich um die Rückkehr zu gewährleisten.
    Wie bei den Sowjets (s. Tschelomejs UR-700/LK-700-Konzept) wird auch dieser Vorschlag schnell verworfen. Eine für derartige Zwecke ausgelegte Trägerrakete (mit Namen "NOVA") zu bauen, das übersteigt die finanziellen Verhältnisse.
  • Anfänglich favorisiert v. Braun das "Earth Orbit Rendezvous"-Manöver (EOR):
    Zwei kleinere Trägerraketen starten von der Erde mit ihren Nutzlasten, dem eigentlichen "Mond"raumschiff und der auf dem Mond landende fähre. Beide Nutzlasten werden im Erdorbit gekoppelt und von dort auf eine Bahn zum Mond beschleunigt.
    Das Konzept wird schließlich auch verworfen, da das Mondlandevehikel 16 Tonnen Treibstoff mehr brauchen würde als bei der dritten, der LOR-Methode.
  • Am Ende setzt sich das "LunarOrbit Rendezvous", das LOR-Konzept, durch.

Im Ausscheidungsverfahren für Entwicklung und Bau der von Max Faget konzipierten APOLLO-Kapsel erhält die Firma MARTIN/NORTH AMERICAN ROCKWELL in Kalifornien gegen starke Konkurrenz von GENERAL ELECTRIC den Zuschlag.
Drei Jahre später erfolgt am 28. Mai 1964 der erste Systemtest einer Attrappe an Bord einer SATURN I.
Die Attrappe wird scherzhaft "Kochplatte"(engl. "Boiler-plate") genannt, da sie vollständig mit Wasser gefüllt ist, um das Gewicht einer wirklichen APOLLO-Kapsel zu simulieren ...
und die Kapsel beim Wiedereintritt in die Erdatmosphäre ziemlich heiß wird ...


Abb. 15-2

Beim Zusammenbau einer
APOLLO-Kapsel

Abb. 15-2  Beim Zusammenbau einer APOLLO-Kapsel


APOLLO-Mondlandefähre LEM (LM):

Die Mondlandefähre dagegen wird aus New York kommen.
Im November 1962 hat GRUMMAN CORPORATION den Auftrag erhalten, ein Fahrzeug namens LUNAR MODULE zu konstruieren, ausgerichtet lediglich für eine Landung auf dem Mond. Eine Rückkehr mit ihm zur Erde ist nicht vorgesehen, dafür ist die APOLLO-Kapsel ausgelegt.
Das Abstiegsmodul wird daher nur über eine einfache Triebwerksstufe verfügen, mit der die Astronauten zum Mutterschiff zurückkehren können.
Dass später die Mondfähre für die Männer der APOLLO 13-Mission zum Rettungsanker werden würde und ihnen die Rückkehr zur Erde erst ermöglicht, ahnt damals noch niemand.

Am 01.22.1968 erfolgt während der APOLLO 5 - Mission der erste Testflug.
Verantwortlich für das Design ist der bei GRUMMAN CORPORATION angestellte Ingenieur Tom Kelly.


Abb.15-3

Tom Kelly

Konstrukteur der
amerikanischen Mondlandefähre

Abb. 15-3  Tom Kelly, Konstrukteur der amerikanischen Mondlandesphäre LEM


Abb.15-4

Mondlandefähre
LUNAR MODULE

Abb. 15-4 US-Mondlandesphäre Lunar Module

Halten wir nun kurz im historischen Bericht ein und richten den Blick auf die technischen Details der einzelnen Bausteine beider Mondprogramme ...


Inhalt

Letztes Update dieser Seite am 04.04.2004

Kapitel 15

Bemannte Mondlandeprogramme auf beiden Seiten