"Gigantische Raketen bringen Blöcke auf Umlaufbahnen,
die zu Stationen zusammengebunden werden oder zu Planeten fliegen."

Sergej Koroljow zur ersten Kosmonautengruppe, 1960


N-1  - die sowjetische Trägerrakete

Ursprünglich soll die N1 für eine ganze Familie von Trägerraketen stehen, die zu unterschiedlichen Zwecken benutzt werden. Sie soll die zu zivilen Aufträgen umgebauten Trägerversionen der Interkontinentalraketen R7 und UR-500/PROTON ersetzen.
Die Entwürfe begannen mit kleineren N1-Typen, ausgelegt für 16 einzelne Kusnezow-Triebwerke in der ersten Stufe; später sollte sie als Träger für Chruschtschows atombewaffnete Raumstation OS-1 dienen und letztendlich die sowjetischen bemannten Mondraumschiffe in den Weltraum transportieren.


Abb. 16-1

Frühe N1-Varianten von 1962-68


Abb. 16-2

Späte N1-Varianten von 1968-1975

Abb. 16-2  Späte N1-Varianten (1968-1975) Abb. 16-1 Frühe N1-Varianten (1962-68)


Im Laufe der Entwicklungsjahre hat sich dann dieses Modell stabilisiert:

Die erste Stufe A enthält 30 synchronisierte, von Kusnezow extra für die N1 konstruierte, Raketentriebwerke vom Typ NK-15. Jedes einzelne enthält Kammern für die Brennstoffe Kerosin und Sauerstoff, eine Hauptdüse, eine Turbopumpe und eine Verbrennungskammer. Sechs davon sind zentral mittig angeordnet, die anderen 24 in gleichen Abständen an der äußeren Peripherie der Rakete. Ein einzelnes kann einen Startschub von 1700 kN erzeugen. Höchstens zwei der äußeren Triebwerke dürfen bei einem Start ausfallen; das sog. KORD-Überwachungssystem fährt dann das/die auf der entgegengesetzten Seite liegende/n Triebwerk/e herunter, um für einen synchronen Startschub zu sorgen.


Abb. 16-3

NK-15 Triebwerk
der ersten N1-Stufe


Abb. 16-4

Zweite Stufe (B) der N1

mit offener Trägerstruktur
zwischen erster und zweiter Stufe

Abb.15-3  NK-15 Triebwerk der ersten N1-Stufe Abb.15-4 Zweite Stufe der N1 mit offener Trägerstruktur zwischen erster und zweiter Stufe


Die zweite (B-)Stufe verfügt über 8 ebenfalls an der Außenhülle befestigte Triebwerke des Typs NK-15V mit je 1800 kN Schubleistung, die dritte V-Stufe über vier NK-19-Triebwerke mit 410 kN Vakuum-Schubleistung (die dritte Stufe zündet erst nach Verlassen der Erdatmosphäre!).
Für eine vollständige Richtungskontrolle der restlichen Rakete verfügt die V-Stufe über eine Kardanaufhängung der Steuerdüsen.

Auffallend ist die Abweichung der N1 von der bisher typischen zylindrischen, im Durchmesser bis praktisch zur Raketenspitze konstant bleibenden Bauform der sowjetischen Trägerraketentechnologie:




Abb. 16-4

Die lunare Version
der N1-Trägerrakete

Abb. 16-4   Die lunare Version der N1-Trägerrakete

Die N1 ist von konischer Form!
Der Grund dafür liegt in ihrem Verwendungszweck:
Man muss ein, für damalige Verhältnisse an die Grenze des Vermögens einer Trägerrakete gehendes, schweres Mondraumschiff SOJUS-LOK samt Mondlandefähre LK bis in eine translunare Erdumlaufbahn transportieren. Eine konische Trägerstruktur ist deutlich leichter als eine im Durchmesser gleich bleibende zylindrische Form und sie benötigt weniger Schubleistung.
Die ersten drei Stufen enthalten im Innern je zwei kugelförmige Tankbehälter für das Kerosin bzw. den Sauerstoff. Die vierte und letzte Trägerstufe, der 8 Meter lange BLOCK G, besteht aus einem NK-9V-Triebwerk mit 450 kN Schubleistung.
Daran schließt sich die Nutzlast in der Reihenfolge wie in
Kapitel 15 skizziert an.


SATURN V   -  die Trägerrakete der USA

"Wie bist du eigentlich auf den Namen SATURN gekommen?"
"Das war ganz einfach.
Das Programm erhielt am 3. Februar 1959 den Namen SATURN, weil die Armee bei dem Kompetenzstreit der Waffengattungen ihre geliebte JUPITER-Rakete verloren hatte und der Saturn einfach der nächste Planet im Sonnensystem war."

Wernher v. Braun im Gespräch mit Erik Bergaust


Wie bereits erwähnt, hat die NASA im September 1962 das Entwicklungsprogramm für eine dreistufige Weiterentwicklung der SATURN I-B-Rakete zu einer Trägerrakete für ein Raumschiff gebilligt, welches unseren Trabanten erreichen kann.
Die Trägerrakete ist für Erdorbit- wie Mondorbitmissionen geeignet.
Die SATURN V wird die größte und leistungsstärkste Trägerrakete, die die USA bis heute gebaut haben.

Als dritte Stufe soll mit deutlichen Veränderungen die mit flüssigem Wasserstoff betriebene Oberstufe der SATURN I-B Verwendung finden; ihre sechs kleinen Brennkammern sollen durch eine einzige ersetzt werden.

Es hat nahegelegen, die erste Raketenstufe gleichfalls mit H2/O2 zu betreiben. Einsichtig ist aber, das hat schon Hermann Oberth in seinen frühen Studien festgestellt, dass für eine homogene Verteilung der Massen die unterste Stufe einer Rakete die schwerste sein sollte, die oberste die leichteste.
Nun hat flüssiger Wasserstoff ein kleineres spezifisches Gewicht als Wasser selbst (nur 1/40). Man belässt es deshalb für Stufe 1 bei der gebräuchlichen Kerosin/ O2-Kombination.

Für die erste Stufe erhält BOEING den Zuschlag, den Bau der zweiten Stufe vergibt man an den uns schon bekannten Konzern ROCKETDYNE/NORTH AMERICAN AVIATION, und die Veränderungen an der dritten Stufe soll natürlich die Firma vollziehen, die die Einheit auch für die SATURN I-B konstruiert hat:
Die für ihre Flugzeuge bekannte Firma DOUGLAS AIRCRAFT.

Die Verantwortung für den Zusammenbau und den Einbau der einzelnen technischen Systeme hat die NASA dem Team in Huntsviller Raumflugzentrum unter Leitung von Wernher von Braun übertragen. Es wird sein unvergesslicher Anteil an einem der größten Unternehmen der Menschheitsgeschichte.

S-IC, die erste Stufe der SATURN V, wird von fünf kardanaufgehängten F1-Triebwerken mit je 7900 kN Schubleistung betrieben.
Für die mittlere Stufe S-II benötigt man die gleiche Anzahl von J2-Brennkammern mit je 1050 kN Schub.
Das J2-Triebwerk der obersten Stufe S-IVB verfügt über etwa die gleiche Kraft.


Abb. 16-5

S-II, die zweite
SATURN V- Stufe
mit 5 J2-Triebwerken


Abb. 16-6

5 F1-Triebwerke der (ersten)
S-IC-Stufe

Abb. 16-5   S-II, die zweite SATURN V- Stufe mit 5 J2-Triebwerken Abb. 16-6  5 Saturn V  (F1-Triebwerke der ersten Stufe)


Riesige Prüfstände müssen in Michoud am Mississippi gebaut werden. Von dort werden die fertigen Stufen auf übergroßen Lastkähnen den Fluss herunter bis zum Kennedy Raumfahrtzentrum in Florida verschifft.
Für den Transport der dritten Stufe baut DOUGLAS ein eigenes dickbauchiges Flugzeug. Auf Kap Kennedy entsteht unter der Leitung von Direktor Kurt Debus, einem alten Weggefährten v. Brauns, ein Montagegebäude zum Zusammenbau der kompletten Rakete samt Nutzlaststufe, mit 160 Metern so hoch wie das Ulmer Münster, mehr als doppelt so lang und breit wie ein Fussballfeld.
Ist die Rakete zusammengefügt, wird sie mittels eines Raupenschleppers, anders als bei den Sowjets stehend auf einer Plattform, über eine Strecke von rund 5 Kilometern zur Startrampe gefahren.

V. Braun ist ein alter Raketenhase.
Jahrelang hat er es so gehalten, dass die Stufen eines neuen Raketentyps einzeln getestet werden müssen, bevor sie zusammengesetzt und dann erneut erprobt werden. Er staunt nicht schlecht, als 1964 George Mueller, ehemaliger Programmdirektor des militärischen MINUTEMAN-Programms und nun stellvertretender NASA-Administrator für bemannte Raumflüge, in Huntsville auftaucht und sein "Gesamttest"-Konzept vorlegt:
Gleich der erste Test soll mit einer kompletten SATURN V erfolgen!!!
Natürlich mit einer Nutzlast, natürlich mit einer echten APOLLO-CSM-Einheit!!!
Auf einer so komplizierten Bahn, dass der Wiedereintritt der Kapsel in die Erdatmosphäre eine Rückkehr vom Mond simuliert!!!
Was zunächst wie unverantwortliches leichtsinniges Denken aussieht, erweist sich nach harten Diskussionen mit v. Brauns Team als untadeliges Konzept.


Aus heutiger Sicht ist uns natürlich klar,
dass eine bemannte Mondlandung schon im Juli 1969
ohne Muellers "Gesamttest"-Konzept nie hätte stattfinden können.
V. Braun selbst gibt das unumwunden zu.

Man einigt sich auf den Bau von 20 SATURN V-Trägerraketen und den ebenso vieler APOLLO-CSM-Raumschiffe.


Tatsächlich sind dann nur 15 Raketen gebaut worden,
von denen zwei nicht mehr zur Verwendung gekommen und eingemottet worden sind.

Zehn unbemannte Testflüge sieht man in einem ersten Konzept vor, bevor überhaupt daran gedacht werden kann, einen Menschen mit einer SATURN V zu transportieren. Das hört sich vielleicht viel an, ist aber nur ein Bruchteil der Anzahl von Tests, die den früheren Projekten wie REDSTONE, JUPITER, MERCURY oder GEMINI vorausgegangen sind.
Tatsächlich trägt dann 1968 die erst dritte überhaupt gestartete SATURN V die APOLLO 8-Crew ins All, die den Weihnachtsabend mit Ausblicken auf Mond und Erde verbringen darf.

Erwähnt sei, dass kein Modell der SATURN V-Serie einer anderen gleicht. Die Nutzlastanforderung ist mit jedem weiteren Flug angestiegen.
Bei APOLLO 8 sind es noch weniger als 40 Tonnen, am Ende wiegt APOLLO 17 58 Tonnen. Die Astronauten sind daran nicht schuldlos, äußern sie doch den gleichen Wunsch wie viele Touristen auf diesem Planeten, nämlich einen "Mietwagen" an ihrem Urlaubsort benutzen zu können ... wir werden später davon berichten

Dreizehnmal wird eine SATURN V ins All starten, dreizehnmal glückt der Start:
Eine 100%-ige Erfolgsquote des Riesen, die selbst sein Schöpfer Wernher von Braun nie erwartet hat!


            
Abb. 16-7

SATURN V

  Technische Details:

Abb.16-7  SATURN V

Gewicht: 3040 t
Länge: 102 m
Max. Durchmesser:10,10 m
Startschub: 34.400 kN
Nutzlast: 118t (Erdorbit) bzw. 47t (Mondorbit)
1. Start: 9. Nov. 1967
Letzter Start: 14. Mai 1973 (SKYLAB)

1. Stufe S-IC :

Gewicht: 2286 t
Länge: 42,10 m
Max. Durchmesser: 10,10 m
Schub: 39.470 kN
Treibstoff: Kerosin/O2
Triebwerke: 5


2. Stufe S-II:

Gewicht: 490 t
Länge: 24,80 m
Max. Durchmesser: 10,10 m
Schub: 5.270 kN
Treibstoff:H2/O2
Triebwerke: 5


3. Stufe S-IVB:

Gewicht: 120t
Länge: 7,80 m
Durchmesser: 6,60 m
Schub: 1.050 kN
Treibstoff: H2/O2
Triebwerk: 1



Beide Mondraketen im Vergleich:

  N1 Saturn V
Gewicht
2680 t 3040 t
Länge
100 m 102 m
Ømax
10 m 10,10 m
Nutzlast in Erdorbit
100-135 t 118 t
dgl. in Mondorbit
45-50 t 47 t
Startschub
44.150 kN 34.400 kN
1. Stufe
51.300 kN Vakuumschub
30 Triebwerke
Brennstoff: Kerosin/O2
39.470 kN Vakuumschub
5 Triebwerke
Brennstoff: Kerosin/O2
2. Stufe
14.320 kN Vakuumschub
8 Triebwerke
Brennstoff: Kerosin/O2
5270 kN Vakuumschub
5 Triebwerke
Brennstoff: H2/O2
3. Stufe
1.640 kN Vakuumschub
4 Triebwerke
Brennstoff: Kerosin/O2
1.050 kN Vakuumschub
1 Triebwerk
Brennstoff: H2/O2
4. Stufe
460 kN Vakuumschub
1 Triebwerk
Brennstoff: Kerosin/O2
/
Starts insgesamt
4 13
Fehlstarts
4 0
Erfolgsrate
0 % 100 %


Beide Trägerraketen sind also etwa gleich groß in Höhe und Durchmesser.
SATURN V
ist fast eine halbe Tonne schwerer, während N1 über den weit größeren Startschub – wohlgemerkt: in der Endversion - verfügt. Jede einzelne ihrer Triebwerksstufen ist leistungsstärker als die des amerikanischen Kontrahenten.

Entscheidend ist aber letztendlich bei aller scheinbarer Überlegenheit der sowjetischen Trägerrakete in der Theorie die letzte Zeile der Tabelle.


Inhalt

Letztes Update dieser Seite am 04.04.2004

Kapitel 16

Zwei Giganten: N1 und SATURN V