"Einmal schwebte ich aus dem Schlafsack
und wachte erst an der Decke der Orbitalsektion auf."

A. Nikolajew, SOJUS 9, Nov.1969


Was für ein Kontrast zu den Anfängen der Weltraumfahrt, als den Amerikanern alles zu misslingen schien!
Die bisherigen Erfolge des sowjetischen Mondprogramms sind vergessen, die Welt spricht 1969 nur noch von der ersten Mondlandung.

Geschlagen auf der 180.000 km Distanz, ein Roverwrack liegt auf dem Mond und von einem Betreten des Erdtrabanten ist überhaupt keine Rede mehr - zumindest nach außen.
Frustration und Depression bestimmen die Stimmung im sowjetischen Lager.

Ist überhaupt noch etwas zu retten?

Die sowjetische wie die Weltöffentlichkeit wird weiterhin von der politischen Führung getäuscht. Am 24.Oktober 1969 verkündet der Vorsitzende der Akademie der Wissenschaften, Mastislaw Keldysch, der Presse:

"Es gibt keine weiteren ausgearbeiteten Fahrpläne für bemannte Mondprojekte."


Die Wirklichkeit sieht wieder einmal anders aus ...

Als man festgestellt hat, dass es zwei Jahre dauern würde, um den zerstörten N1-Abschussrampenkomplex Ost zu reparieren, kursieren in der Tat im Lager der sowjetischen Wissenschaftler Gerüchte, das L-3-Mondprogramm werde die politische und damit auch finanzielle Unterstützung verlieren.
Doch weit gefehlt!
Wassili Mischin verfügt offenbar über noch genug Sympathie im Kreml um den Fortbestand des Programms garantieren zu können.

Während der Wiederaufbauarbeiten in Baikonur werden die Erststufentriebwerke der N1 rigorosen Tests unterzogen. Ihr mangelhaftes Verhalten ist die Ursache für beide Fehlstarts gewesen.
Ein neuer Prüfstand wird gebaut; jedes Triebwerk muss 160 - 200 Minuten fehlerfrei arbeiten um den Testlauf bestanden zu haben. Filter werden in die Treibstoffzufuhrleitungen eingebaut, um Fehler wie den beim zweiten Start

zu verhindern. Ventilatoren und Kühlsysteme werden hinzugefügt, um die Triebwerke kühl zu halten.
Die Gestalt des "Schwanz"endes der Rakete erfährt eine leichte Veränderung.

Und ...

Sie erhält einen neuen Anstrich,
ist nun ganz in weiß gehalten.


Abb. 25-1

Ganz in weiß:

Das neue Outfit der N1

Abb. 25-1 Ganz in weiß: Das neue Outfit der N-1


Ein erneutes Täuschungsmanöver gegenüber westlichen Beobachtern?
CIA-Agenten trauen anfangs den aufgenommenen Bildern ihrer Spionagesatelliten nicht, als bereits am 24. Sep. 1969, also nur zwei Monate nach dem verheerenden N1-5l-Desaster die erste der neuen "White Giant Rockets" an Rampe West aufgerichtet zu sehen ist!

Ist es eine funktionsfähige Trägerrakete? - Nein!
Ein Start ist noch nicht möglich, eine Nutzlast noch nicht an Bord, soweit sind die Reparaturarbeiten am Ostkomplex noch nicht fortgeschritten. Aber das braucht der Westen ja nicht zu wissen ...

Mischin lässt testen und testen und testen ...

... und entwickelt ein neues Konzept:

L1-3M


... das nichts anderes ist als die Verwirklichung der alten ZVESDA-Träume von einer Mondbasis:

Wenn die Sowjets schon nicht die ersten auf dem Mond gewesen sind, dann wollen sie wenigstens als die Nation in den Geschichtsbüchern geführt werden, die sich am längsten dort aufgehalten haben.

Im Zeitraum von 1978 - 1980 will Mischin die nötige Infrastruktur bereitstellen, um eine lunare Basisstation bauen und Mondaufenthalte bis zu drei Monaten durchführen zu können.


Das Jahr 1969 endet mit Erfolg und Misserfolg für die sowjetische Raumfahrt:

  • Die verwundete sowjetische Seele kann sich zunächst mit dem SOJUS 6,7 & 8-Flug, dem ersten Dreifachflug, trösten.
    Das hat es bis heute nicht mehr gegeben:
    Drei bemannte Raumschiffe starten an drei aufeinanderfolgenden Tagen. Sieben Kosmonauten sind Mitte November gleichzeitig im All:


Erster und einziger Dreifachflug im All:    SOJUS 6, 7 & 8

Abb. 25-2

SOJUS 6
(Georgi Schonin,
Waleri Kubassow)

  Abb. 25-4

SOJUS 8
(Wladimir Schatalow,
Alexej Jelissejew)

Abb. 25-2a  Georgi Schonin (Sojus 6) Abb. 25-2b  Waleri Kubassow (Sojus 6) Abb. 25-4a  Wladimir Shalatow (Sojus 7) Abb. 25-4b   Alexej Jelissejew (Sojus 7)
Abb.25-3

SOJUS 7
(Anatoli Filiptschenko,
Wladislaw Wolkow, Wiktor Gorbatko)

Abb. 25-3a  Anatoli Filiptschenko (Sojus 7) Abb. 25-3b  Wladislaw Wolkow (Sojus 7) Abb. 25-3c  Wiktor Gorbatko (Sojus 7)


    Beim Empfang der Kosmonauten im Kreml, drei Monate nach der amerikanischen Mondlandung, erklärt Präsident Breschnew, dass für die Zukunft Raumstationen mit einander ablösenden Besatzungen das Hauptanliegen der UdSSR im All seien.
    Und im weiteren mit Seitenblick auf den jüngsten amerikanischen Erfolg:

    "Solche Stationen können auch als Startplatz für Flüge zu anderen Planeten dienen."

    Damit wird auch der Öffentlichkeit klar:

    Die Sowjets  würden nach den eigenen Rückschlägen und Zeitverzögerungen und dem rundum erfolgreichen Mondprogramm der USA umschwenken ...
    und einen Weg einschlagen werden, der ihnen nun erfolgsverheißender erscheint:

    Den Bau von Raumstationen, kombiniert mit Langzeitaufenthalten von Menschen im All ...


Aus der Rückschau lässt sich heute leicht urteilen,
dass dies eine weise Entscheidung gewesen ist.
Mit den erfolgreichen Raumstationsprogrammen SALJUT und MIR
hat die ehemalige Sowjetunion, das heutige Russland,
verlorene Reputation zurückgewonnen.


Derweil feiert man in Übersee und dem Rest der Welt die zweite Mondlandung mit APOLLO 12.

Der Start am 14. November verläuft unter spektakulären Umständen:
Eine Minute nach dem Start schlagen kurz hintereinander zwei Blitze in die Rakete ein und legen den kompletten Stromkreis im Raumschiff lahm!
Die im CS-Modul sitzenden Astronauten sind ohne Orientierung über das, was außen vorgeht.
Wundersamerweise funktioniert aber das automatische Lenkungssystem der SATURN V, und nachdem die Astronauten alle Sicherungen wieder eingeschaltet haben, verläuft der weitere Flug zum Mond zur Zufriedenheit aller.

Die Astronauten Alan Bean und Charles Conrad landen am 19. November mit einer beeindruckenden Präzision am vorher ausgewählten Zielort:
im "Meer der Stürme" in Sichtweite einer SURVEYOR-Sonde aus früheren Tagen; währenddessen wartet der Kommandeur Richard Gordon im CSM-Modul "Yankee Clipper" auf ihre Rückkehr.

Etwas ist dann doch noch schief gegangen:
Einer der Astronauten hat das Objektiv der Fernsehkamera unachtsam direkt in die grelle Sonne gehalten, fortan lässt es sich nicht mehr öffnen ...
und für Millionen von Menschen auf der Erde entfällt die Übertragung via TV.

APOLLO 12

(Links zu Medien)

Abb. 25-5

Crew:
Charles Conrad, Richard Gordon
& Alan Bean

Abb. 25-5a   APOLLO 12 - Crew: Charles Conrad, Richard Gordon & Alan Bean
Abb. 25-5b  APOLLO 12 - Emblem Abb. 25-6

Besichtigung der
SURVEYOR-Sonde

Abb. 25-6  APOLLO 12: Besichtigung der SURVEYOR-Sonde


Inhalt

Letztes Update dieser Seite am 04.04.2004

Kapitel 25

Was nun?