Vorwort

Ein Rennen verloren ... doch Verlierer?



"Auf Anweisung der Behörden ist Nikifor Nikitin
wegen aufrührerischer Reden über einen Flug zum Mond
in die Siedlung Baikonur verbannt worden

Die Zeitung "Nachrichten des Gouvernements Moskau", 1848


L
ange ist es recht still gewesen um den Himmelskörper, der unserer Erde am nächsten ist. Seit dem letzten Jahr ist der Mond wieder ins Blickfeld der öffentlichen Aufmerksamkeit geraten:
Die US-Sonde LUNAR PROSPECTOR hat ihren Forschungsauftrag praktisch schon erfüllt und vor wenigen Wochen zweifelsfrei umfangreiche Wasservorkommen auf dem Mond entdeckt.

Im nächsten Jahr jährt sich nun zum dreißigsten Male ein Jubiläum, welches ein Meilenstein in der Menschheitsgeschichte geworden ist:
Im Juli 1969 hat mit Neil Armstrong der erste Mensch seinen Fuß auf den Mond gesetzt. Zum ersten Mal ist ein terranisches Raumschiff auf einem fremden Himmelskörper gelandet.

Ich war damals 16 Jahre alt.
Die ganze Welt stand Kopf, wir hingen an den Radios oder dem Schwarzweiß-Fernseher (wer schon einen hatte, damals war das noch ein Luxusgut!)

um ja nichts zu verpassen. Die Zeitungen verteilten kostenlose Extrablätter.
In der Schule wurde der Unterricht für Liveberichterstattungen des Fernsehens unterbrochen, Lehrer und Schüler starrten gemeinsam gebannt auf die Bilder, die uns die NASA lieferte. Nach der geglückten Landung lagen wir uns in den Armen und jubelten.
Es war einfach unglaublich!
Heute bin ich dankbar in diese Zeit geboren worden zu sein.

Man weiß es:
Die Amerikaner verstehen es Jubiläen zu feiern. Man kann erwarten, dass ab dem - späten - Frühling 1999 einiges auf die Welt zukommen wird:
Bücher, Radio- und TV-Sendungen, spezielle Internetseiten der NASA etc., Ausstellungen mit originalem APOLLO-Material nebst Mondgestein undundund ...

Einiges davon wird sicher auch zu uns nach Deutschland überschwappen.
Wir möchten dem mit dem "Verlorenen Traum" ein wenig zuvorkommen und die Mondexpeditionen aus einem Blickwinkel betrachten, der in Deutschland bisher nur in einem kleinem Kreis mehr oder weniger gut bekannt war, von der Medienöffentlichkeit dagegen recht oberflächlich behandelt wurde:
Wohl gut 95% der Deutschen wissen, dass die Amerikaner als erste Nation auf dem Mond waren, sie kennen das APOLLO-Projekt, die SATURN V-"Mond"rakete und vielleicht sogar den Namen Neil Armstrong.
Es gehört mittlerweile zum Allgemeinwissen.

Wie viele - oder sollte ich besser sagen - wie wenige wissen aber, dass es beinahe auch hätte anders ausgehen können:

  • Nämlich dass die Sowjetunion den ersten Kosmonauten auf dem Mond gelandet hätte;

  • dass es ein sowjetisches Mondprogramm mit einer ebenso gigantischen Mondrakete wie die SATURN V gab, der N-1

  • mit einem Mondraumschiff, größer als es die APOLLO-Kapsel war,

  • und einer Mondlandefähre;

  • dass die damaligen beiden Supermächte UdSSR und USA in der Zeit des Kalten Krieges nicht nur einenerbittert geführten, den Weltfrieden bedrohenden Rüstungswettlauf bestritten, sondern auch ein Rennen zum Mond absolvierten ...

  • und dass letztendlich das sowjetische Programm scheiterte und deshalb vom Kreml jahrzehntelang bis zum Ende der Sowjetunion mit Glasnost und Perestroika verschwiegen wurde???

Durch ihre Geheimdienste erfuhren die westlichen Mächte während dieses Wettlaufes nur Bruchstücke dessen, was wirklich hinter dem Eisernen Vorhang vorging.
Mit der Perestroika und dem Zusammenbruch des sowjetischen Reiches änderte sich das:
Wissenschaftler, Ingenieure, Kosmonauten ..., sie alle durften nun ohne Maulkorb in der Welt umherreisen ... und reden ... sich von der Seele reden, was sie jahrelang verschweigen mussten, sie durften nun auch von ihren Wünschen und Hoffnungen sprechen ... und vor allem von Niederlagen und Katastrophen, über die sie sich bisher nicht öffentlich äußern durften, die es in dem damals vorherrschenden kommunistischen Gesellschaftssystem öffentlich nicht geben durfte ...

Sie taten es ... nicht sofort ..., nicht alle auf einmal ...
Nur stückchenweise kam und kommt seit 1989 die Wahrheit über das sowjetische Mondprogramm, ja über die gesamte sowjetische Raumfahrt jener Zeit zutage. Noch heute, zehn Jahre später, liegt noch vieles im Dunkeln.

Immerhin ist man jetzt soweit, sich ein umfassendes Bild der damaligen Situation in der UdSSR machen zu können. In den USA ist man darin erheblich weiter als bei uns in Deutschland. Wahrscheinlich deshalb, weil die Amerikaner selbst in den Mondwettlauf involviert waren.
Beispielsweise gibt es dort bei einer Modellbaufirma einenn Bausatz der russischen N1-Mondrakete zu kaufen. Sieger können großzügig sein!

 


D
ies also wird vor allem die Geschichte von "Verlierern" sein - die Historie all derer, die am sowjetischen (aber natürlich auch an dem siegreichen amerikanischen)Mondprogramm beteiligt waren.

Verlierer?

Wir möchten zunächst nicht verhehlen:
D ie akute weltbewegende russische Wirtschaftskrise, das Bildnis eines schwerkranken Staatspräsidenten Boris Jelzin, der die Macht nicht abgeben will und seinem Vaterland damit wahrlich keinen Gefallen tut, das Elend und die materielle Not vieler russischer Bürger läßt in unserer behüteten Wohlstandsgesellschaft das Bild des Verlierers im Osten leicht entstehen. Als Verlierer wird sie jedoch nur der benennen, der kurzsichtig damals und heute allein den Wettlauf zum Mond im Blick hat. Derjenige
Man möge dagegen doch zum Beispiel bedenken:

Die bis heute zuverlässigste Raumschiffsbaureihe der Menschheit - SOJUS - gäbe es nicht ohne das Mondprogramm!
Die Russen wären ohne ihr Mondprojekt, was die praktische Erfahrung im Weltraum angeht, heute nicht führend in der Welt! Keine Nation war bisher länger im All!
Diese Erfahrung kommt heute der gesamten Menschheit zugute; in jüngster Vergangenheit und Gegenwart in Form des MIR-Projektes, zukünftig in Gestalt der Internationalen Raumstation ISS.
Die amerikanischen ISS-Astronauten trainieren heutzutage häufiger bei den Russen als diese in den Vereinigten Staaten, nicht umgekehrt.

Also eine Geschichte von Verlierern?

Formulieren wir es deshalb besser so, dokumentiert werden soll hier:

Die Geschichte eines verlorenen Traumes

 


E
inige Dinge sollen noch angemerkt werden:

Es gibt hunderte von Büchern auf der ganzen Welt rund um das Thema "Raumflug zum Mond".
Der Autor ist sich bewusst, dass im Rahmen dieser Dokumentation nur über einen Bruchteil der historischen Ereignisse berichtet werden kann.
Es kann auch nur auszugsweise auf technische Details eingegangen werden. Der Bericht würde sonst schnell den selbst gesetzten Rahmen von ca. 120 Seiten überschritten haben.
Wird nach dem Lesen dieses Berichtes bei dem ein oder anderen das Interesse nach mehr geweckt, dem seien die Quellenhinweise und Linktips empfohlen. Diese beschränken sich nicht nur auf gedruckte Werke, sondern auch auf die schier unerschöpfliche Wissensquelle der Jetztzeit: das Internet.

Es ist wie bei der Gauck-Behörde:
Täglich werden neue Dokumente aus der Zeit der Sowjetunion veröffentlicht, die früher unter Geheimverschluss lagen.
Irgendwann musste ich mir bei den Recherchen selbst ein zeitliches Limit setzen.
Dies ist der 31. Januar 1999.
Ich bitte also um Verständnis bei den Lesern, wenn inzwischen einzelne Details des Berichtes von der Gegenwart überholt worden sind. Obwohl die Ereignisse, über die hier berichtet wird, bereits geschehen sind, habe ich meistens als stilistisches Mittel das Präsens, die Gegenwartsform, und die Vergangenheitsform der Gegenwart, das Perfekt, benutzt.
Der Verfasser erhofft sich damit, die Leser näher an die vergangenen Geschehnisse heranführen zu können.

Deutsche Übersetzungen sowjetischer Eigenname sind eine Sache für sich; es gibt zum Teil mehrere Schreibformen bzw. Übersetzungen des gleichen Ursprungsnamens.
Im russischen Alphabet fehlen z.B. die Buchstaben C, H, Ph und Q.
Man möge daher tolerant darüber hinwegsehen, wenn der Leser an anderer Stelle eine andere Schreibweise wie hier vorfindet.
Da die meisten der hier benutzten Quellen englischsprachiger Natur sind, habe ich in den Fällen, wo mir nur die englisch/amerikanische Schreibweise zur Verfügung stand, diese benutzt. Koroljow schreibt sich z.B. im Englischen Korolev, Tschelomej wird zu Chelomei, Mischin zu Mishin, Jelissejew zu Yelissejev usw.
Bei den Namen, die dort zu finden waren, habe ich die Schreibweise aus dem Buch von R. Hofstätter "Sowjet-Raumfahrttechnik" übernommen. Persönliche subjektive Bemerkungen/Einschätzungen gestatte ich mir ab und zu; sie sind in Kursivschrift mit rechtsbündigem Einzug formatiert.

Im populärwissenschaftlichen deutschen Sprachgebrauch wird der Schub eines Raketentriebwerks gerne in Tonnen angegeben, also der physikalischen Einheit der Masse.
Dies ist nicht richtig, denn unter Schub versteht man in der Physik die vom Gasausstoß herrührende Kraft, die die Rakete beschleunigt.
Die Einheit des Schubs ist also identisch mit der Einheit der Kraft, dem Newton (N).
In dieser Dokumentation wird deshalb das Newton als Einheit des Raketenschubs benutzt.
(zur "Umrechnung" gilt die Faustregel:
1 "Tonne" Schub entspricht 1 Kilonewton = 1 kN =1000 N)

Mein besonderer Dank gilt Kurt Kobler, der den Anstoß zur Erstellung des "Mondwettlaufes" gegeben hat und auch sonst hilfreich zur Seite stand. Außerdem Eberhard Bürgel, der sich großzügig und, wie ich glaube, schweren Herzens für kurze Zeit von einigen Briefmarken seiner Sammlung zum Thema Raumfahrt trennte, um sie mir zum Einscannen zur Verfügung zu stellen.
Und natürlich geht mein Dank auch über den Atlantik zu Mark Wade und Doug Smith in die USA, ohne deren umfangreiche Webseiten sich die Recherche erheblich schwieriger gestaltet hätte.
Dank Euch allen und Dank all den Lesern, die mit Toleranz über Taten des Druckfehlerteufels hinweglesen und mich bei gravierenden Fehlern davon in Kenntnis setzen!

Joachim Kutzner
E-Mail: info@mondwettlauf.de


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Letztes Update dieser Seite am 07.11.2007