"Hätten wir den Zeitpunkt des Starts angekündigt,
hätte man uns wieder beschuldigt, dass wir bloß prahlen."

Nikita Chruschtschow, Staatspräsident der UdSSR

Wir schreiben das Jahr 1957.
Weiterhin herrscht der Zustand des Kalten Krieges zwischen den Supermächten.
Abb. 2-1  Dwight Eisenhower, Präsident der USA Abb. 2-1

Dwight Eisenhower

Präsident der USA

Präsident Dwight Eisenhower hatte am 28. Sep.1955 bekanntgegeben, die USA würden während des Internationalen Geophysikalischen Jahres (Juli '57 – Dez '58) ihren ersten Satelliten starten.

Die Sowjetunion erklärt daraufhin, auch sie wolle einen Erdbegleiter starten, schweigt sich sonst aber dazu aus.
Sergej Koroljow, inzwischen zum Leiter des Rates der sowjetischen Raketenkonstrukteure aufgestiegen, ist ein ehrgeiziger Mann: er will nicht hinter den Amerikanern zurückbleiben. Ihm und den Leitern der anderen bestehenden Versuchs-Konstruktionsbüros: Gluschko, Kusnezow, Piljugin, Rjasanski und Barmin ist klar:
Die von ihnen konstruierte, erste Interkontinentalrakete R7 würde die erste kosmische Geschwindigkeit erreichen (7,9 km/s = 28440 km/h); was nichts anderes bedeutet, als dass sie imstande ist, ein Objekt (eine sogenannte "Nutzlast") in eine Erdumlaufbahn zu befördern!
Um den USA zuvorzukommen stellt Koroljow anspruchsvollere Satellitenprojekte, mit denen man eigentlich beginnen will, zurück und baut einen "einfachsten Begleiter der Erde" (russ. "Iskusstwennji Sputnik Semlja").

"Heute sind wir Zeugen, wie der Traum in Erfüllung geht,
der einige hervorragende Menschen, unter ihnen Ziolkowski, beschäftigte.
Er hatte prophezeit, dass die Menschheit nicht ewig auf der Erde bleiben wird.
Der Sputnik ist die erste Bestätigung seiner Vorhersagen.
Die Erschließung des Alls hat begonnen."

Sergej Koroljow in der Nacht vom 4. auf den 5. Oktober 1957 in Baikonur

Eine Variante der R7 startet am 4. Oktober 1957 um 22:28:34 Uhr ins All - und schickt den ersten künstlichen Erdtrabanten in eine Umlaufbahn: SPUTNIK 1.
Der Satellit funkt über längere Zeit ein Kurzwellensignal mit einer 20 MHz Frequenz zur Erde; man kann es überall empfangen.
21 Tage lang umkreist SPUTNIK 1 die Erde auf einer elliptischen Bahn in je 69 Minuten, mit einer Entfernung zwischen 229 km und 946 km von der Erde, bevor er, durch die Schwerkraft der Erde eingefangen, in den dichteren Atmosphäreschichten verglüht.
Die westliche Welt ist aus allen Wolken gefallen. In den Vereinigten Staaten reagiert man zwischen Panik und Schock. Die Bevölkerung befürchtet sogar einen Bombenangriff der UdSSR. Die Regierung weiß nicht, wie sie reagieren soll: Sie schweigt zunächst tagelang.
Die Sowjetunion hat in erster Linie einen psychologischen Sieg errungen, sie hat die siegesgewohnten Amerikaner in ihrer Selbstgefälligkeit überrumpelt.



Abb. 2-2

 SPUTNIK 1

Abb. 2-2  SPUTNIK 1


Nur einen Monat später, zum 40. Jahrestag der Oktoberrevolution, wird mit SPUTNIK 2 das erste Lebewesen ins All befördert:
Der Hund Laika.
Die Hündin überlebt ihren Weltraumflug nicht, was von der sowjetischen Führung geheimgehalten wird.
Laika stirbt nach nur wenigen Erdumrundungen aufgrund zu großer Hitze in dem Satelliten.
Abb. 2-3

SPUTNIK 2
mit "Pilotin" Laika

Abb. 2-3 SPUTNIK 2 mit Hündin Laika

Abb. 2-4

Gedenkmarke für
SPUTNIK 2 und Laika

Abb. 2-4 Gedenkmarke für Sputnik 2 und Laika



In den USA reagiert man hektisch und versucht zu retten, was zu retten ist.
Die drei konkurrierenden Teile der US-Streitkräfte - Armee, Luftwaffe und Marine - hatten jeder ein eigenes Satellitenprojekt verfolgt.
Das VIKING/VANGUARD-Programm der Marine setzte sich zunächst gegen das REDSTONE/ORBITER-Modell der Armee und das ATLAS-Projekt der Luftwaffe durch.
Der Bau der neuen dreistufigen Trägerrakete VIKING erhält den Zuschlag von der Regierung, mit einem Budget von 11 Millionen Dollar.
Aber die Marine wird nicht rechtzeitig fertig. Fehlschläge haben sich in der Testphase des Programms gehäuft.
Wernher v. Braun drängt für die Armee:
Innerhalb von nur 60 Tagen könne er seinen Satelliten starten.
Vier Tage nach dem Start von SPUTNIK 1 erhält er das Ja des Präsidenten, zu dem Start einer JUPITER C-Trägerrakete vorzubereiten.

Doch zunächst scheitert der Start des VANGUARD-Satelliten im Dezember. Die VIKING-Rakete explodiert zwei Sekunden nach dem Start und zerstört die Startrampe:


Abb. 2-5a

VIKING - Trägerrakete

Abb. 2-5a VIKING -Trägerrakete
Abb. 2-5b

VIKING-VANGUARD
-Fehlstart

Abb. 2-5b  VIKING-VANGUARD-Fehlstart

 


Abb. 2-6  JUPITER C  (im Bild mit EXPLORER 1 als Nutzlast)
Abb. 2-6

JUPITER C
(im Bild mit EXPLORER 1 als Nutzlast)

Technische Details:

Gew: 29t , davon 24t Treibstoff
L: 21,7 m
Maximaler Durchmesser: 1,78 m
Startschub: 3765 kN
Nutzlast: 15t
Stufen: 4

V. Braun zeigt, wie man es besser macht:
Am Morgen des 1. Februar 1958 kann die USA ihren ersten geglückten Satellitenstart bekanntgeben:
Eine JUPITER C, für das Satellitenprogramm als JUNO 1 bezeichnet, bringt den Satelliten EXPLORER 1, der ehemalige ORBITER,ins All.
[Eine JUPITER C sollte nicht mit der größeren schubkräftigeren JUPITER-Mittelstreckenrakete verwechselt werden. Die JUPITER C ist eine dreistufige REDSTONE mit einem Bündel von SERGEANT-Feststoffraketen an der Spitze.]
Der Satellit selbst wiegt nur ein Sechstel von SPUTNIK 1: 14 Kilogramm. Mehr an Nutzlast ist für die Trägerrakete nicht möglich.

Die Sowjetunion musste größere Trägerraketen bauen,
da ihre Atombombe schwerer war als die der USA.


Welch ein Jubel, als sich der Satellit mit 8 Minuten Verspätung über Kalifornien meldet! Welch eine Genugtuung für die Armee und die Peenemünder im besonderen, denn ihr Satellitenprojekt ist nicht zuletzt deshalb zuvor abgelehnt worden, weil man in den oberen Etagen misstrauisch gegenüber den Deutschen gewesen war, gegen die man wenige Jahre zuvor noch Krieg geführt hat.
Und welch ein Erfolg für die Wissenschaft, denn mit einem an Bord befindlichen Messgerät von James van Allen werden die nach dem Physiker benannten Strahlengürtel nachgewiesen.

Mit dem Start von EXPLORER 1 hat das Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen den beiden Supermächten um die Vormachtstellung im Weltraum begonnen ...

Weitere Enttäuschungen für die USA sollen jedoch folgen, denn die Starts der zweiten VIKING/VANGUARD-Mission und von EXPLORER 2 schlagen fehl. Erst im März 1958 kann der Satellit VANGUARD 1 seinen Platz in einer Erdumlaufbahn einnehmen.

Im August meldet sich die Luftwaffe zu Wort, zum Leidwesen der Amerikaner auch mit Fehlschlägen:
Die drei ihr zugeteilten der fünf Starts von Mondsonden der PIONEER-Serie (1958-60), mit THOR-ABLE-Raketen als Träger, womit die USA die sowjetischen SPUTNIK-Erfolge übertreffen will, verlaufen frustrierend: alle misslingen.
Die beiden letzten PIONEER-Missionen erhält die Armee zugeteilt.
Auch v. Braun kann mit PIONEER 3 nur einen Teilerfolg erringen; der Satellit schafft aufgrund eines frühzeitigen Brennschlusses der letzten Stufe nur ein Drittel der Strecke bis zum Mond.
Erst der letzte Flug am 3. Mrz. 1959 mit PIONEER 4 und einer JUNO 2 als Träger glückt vollständig:
Die Sonde fliegt in einem Abstand von 60.000 km am Mond vorbei, um dann in eine Bahn um die Sonne einzuschwenken, wo sich PIONEER 4 heute noch befinden dürfte.

Das ist zwar ein Erfolg gewesen – doch er ist überschattet von den spektakuläreren und zeitlich früheren LUNA 2 & 3-Flügen der Sowjets, die weiter unten vorgestellt werden.

PIONEER, das erste Mondprogramm der USA, ist, um es mit kernigen Worten auszudrücken, eine ziemliche Pleite gewesen.
Doch aus Schaden kann man klug werden, behauptet ein weises Sprichwort.


Derweil hat man im Weißen Haus Konsequenzen aus dem Sputnikschock im Speziellen und aus dem Konkurrenzkampf von Armee, Luftwaffe und Marine im Einzelnen gezogen:
Eine landesweite Luft- und Raumfahrtbehörde wird am 18. Juli 1958 gegründet, als Nachfolger des bisher zuständigen Nationalen Rates für Luftfahrt NACA, die "National Aeronautic and Space Agency":
NASA-LogoDie NASA, die fortan für alle zivilen Raumfahrtprojekte zuständig ist. Ein Schritt, der sich im Nachhinein als "small step to winning the race" herausstellen soll. Ihr erster Chef ist Keith Glennan.

Die neugegründete Organisation gibt dem Mondprogramm der Luftwaffe eine zweite Chance. Die fehleranfällige gewesene Trägerrakete THOR-ABLE wird nun durch die neue ATLAS-ABLE ersetzt werden.
Der Misserfolg bleibt der gleiche:
Alle vier Flüge zwischen Oktober 1959 und Dezember 1960 schlagen samt und sonders fehl.


Die Sowjets haben inzwischen ihre Führungsposition im Weltraum ausgebaut:

Im September 1959 schlägt die Sonde LUNA 2 auf dem Mond auf,
und LUNA 3 schickt im Oktober das erste Foto von der der Menschheit bisher verborgen gebliebenen Mondrückseite zur Erde zurück.

Abb. 2-7

LUNA
- Sonde

in die Spitze der Rakete eingebettet>

Abb. 2-8

LUNA 2
- Sonde

LUNA  - sowjetische Mondsonde Abb.2-5  LUNA 2

Inhalt

Letztes Update dieser Seite am 04.04.2004

Kapitel 2

Der Sputnikschock